….und ihre acht Potenziale für unsere Persönlichkeit
Die wertvollsten Begegnungen unseres Lebens sind die, die uns tief berühren. Es sind Begegnungen, die unser Herz ansprechen. Begegnungen, in denen wir Augenblicke tatsächlich erleben und Erinnerungen kreieren, die für ewig bleiben. Intensiv werden diese Momente nicht durch das gesprochene Wort, sondern vielmehr durch die Beziehungsebene und die Emotionen dahinter. Welche Ihrer schönsten Erinnerungen kommt Ihnen gerade in den Sinn? Mit wem haben Sie diesen Moment erlebt? Was hat Sie daran tief berührt?
Einfach nur dazusitzen und zuzuhören ist oft eines der größten Geschenke. Foto Daniel Busse
Worte sind lediglich die Spitze des Eisbergs. Was uns bewegt, ist das, was sich unter der Wasseroberfläche befindet. In Thorsten Haveners Buch „Ich sehe das, was du nicht sagst“ werden zwei Eisberge beschrieben, die sich annähern. Auf welcher Ebene werden sie sich als Erstes treffen? Natürlich! Tief unten im Wasser. Genau dort beginnt die Kommunikation zwischen Pferd und Mensch. Hier beginnt wahrhaftiges Erleben. Hier wachsen intensive Beziehungen. Und hier sammeln wir nachhaltige Erfahrungen für unsere Persönlichkeit.
Was wir wahrnehmen, ist die Spitze des Eisbergs. Durch die Pferde können wir kennenlernen, was sich im Verborgenen befindet. Wir schauen buchstäblich in unseren eigenen Spiegel. Doch viel zu oft sind wir uns zahlreicher Details nicht einmal bewusst. Dabei tragen all diese kleinen Puzzleteile in ihrer Gesamtheit zu unserer Wirkung im Außen bei. Pferde erkennen diese Details in unserer Körpersprache und Energie. Sie setzen mit ihrer Kommunikation viel früher an, als Worte das jemals bewerkstelligen könnten. Ohne einen einzigen Ton zeigen sie uns eigene, vielleicht verborgene Schätze, die wir immer dann wahrnehmen werden, wenn wir uns dafür öffnen. Sie sind Bewusstseinsschmiede und Potenzialentfalter – mit ihnen können wir uns auf eine Reise ins Verborgene begeben. Manchmal stelle ich mir vor, diese wundervollen Tiere würden all die kleinen Puzzleteile meiner Persönlichkeit finden und sie mir vor die Nase legen. Nur zusammensetzen muss ich sie selbst. Wenn Sie wollen, begeben Sie sich mit mir auf diese Reise ins Verborgene.
Hierzu möchte ich Sie mitnehmen in einen Abschnitt aus meinem ersten Buchs. Ich möchte Sie einladen, das Flüstern der Pferde aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten und Ihre eigenen Potenziale zu entfalten, für ein erfülltes Leben und erfüllte Beziehungen – aus Menschen- und aus Pferdeperspektive.
Warum Pferde flüstern …
… vielleicht, weil wir oft viel zu laut sind!
Pferde geben uns die Möglichkeit, uns selbst aus ihren Augen anzusehen. Foto: Celina Gehrsitz
Mit unserem Fokus können wir Welten bewegen. Das lernen Pferdemenschen, aber auch Menschen, die sich intensiv mit sich und ihrer Wirkung beschäftigen. Ob Führungskraft, Kind oder Jugendlicher, Mensch mit Handicap, millionenschwer oder bettelarm – Pferde wirken auf jeden Menschen gleich. Sie machen keine Unterschiede. Sie wirken klar, unverblümt und ehrlich. Pferde spiegeln das Verhalten des Menschen auf eine unheimlich wertschätzende Art und Weise. Manchmal müssen wir ein wenig deutlicher hinsehen, um das zu erkennen, und manchmal zeigen es uns die Pferde auf eine sehr direkte und harte Art und Weise. Genauso funktioniert das mit dem Leben. Manchmal bekommen wir gewisse Entwicklungspotenziale oder Schritte, die wir für uns auflösen dürfen, in klitzekleinen Portionen geliefert. Diese kleinen Portionen schleichen sich an, „flüstern“ sich in unser Leben. Oft hören wir aber nicht zu, weil wir nur dieses „laute Schreien“ der Gesellschaft, in der wir leben, kennengelernt haben. Weil wir jeden Tag in der „Disco des Lebens“ unterwegs sind und gar nicht mehr dazu in der Lage sind, diese leisen Töne wahrzunehmen. Irgendwann wird dieses Thema schreien. Es muss laut werden, damit wir endlich zuhören und hinsehen.
Genauso ist es mit der Reaktion der Pferde. Die Art und Weise, wie ein Pferd wirkt, hat immer auch etwas mit uns zu tun. Sie ist ein Spiegel unserer Persönlichkeit, mit dem wir tiefer blicken können, als wir es uns zu träumen gewagt hätten. Manche Dinge, die wir dann sehen, werden uns nicht gefallen, und andere finden wir wunderschön. Pferde filtern das mit ihrer feinen Wahrnehmung.
„Pferde geben uns die Möglichkeit, auch unsere Wahrnehmung zu verfeinern – die leisen Töne zu hören. Sie geben uns behutsam und liebevoll die Möglichkeit, das Flüstern wieder zu erlernen.“
(Tina Schumacher)
Ein anderer Blickwinkel auf das Flüstern
Es wirkt wie eine Art Zauber, wie der Mensch sich gemeinsam mit seinem Pferd bewegt. Foto: Christiane Slawik
„Pferdeflüstern ist ein Ausdruck für eine gewisse Qualität der Wahrnehmung. Diese Wahrnehmung ist die Basis für eine extrem feine Kommunikation. Wir alle haben das in uns – diese intensiv fühlende und kleinschrittige Wahrnehmung, die letztendlich eine klare und wertschätzende Kommunikation beeinflusst. Wenn wir uns dazu entscheiden, sie wachzurütteln, müssen wir anfangen, uns selbst und unsere Wirkung zu beobachten. Dann werden wir wiederfinden, was wir irgendwo und irgendwann auf unserem Weg verloren haben.
Wenn Menschen mit Pferden in der Freiarbeit kommunizieren, ist dieses Zusammenspiel einfach magisch. Wie die beiden sich wahrnehmen, wie sie miteinander spielen – wie das Pferd für den Menschen vollkommen frei und ohne Zwang bestimmte Dinge tut. Irgendwann durfte ich verstehen, dass eigentlich jeder ‚flüsternʻ kann. Jeder, der sich Fragen stellen möchte, zu sich selbst und seiner Wirkung. Jeder, der sich reflektiert und auf Wertschätzung fokussieren möchte. Jeder, der sich für den Weg des ‚Pferdeflüsternsʻ entscheidet.“
Offenheit, Kommunikation und Wahrnehmung
In der „Pferdewelt“ begegnen uns immer noch Menschen, die stumpf nach Schema F arbeiten, und nicht selten finden wir Trainer, die sich über andere stellen. Jeder, der sich so verhält, limitiert sich selbst und nimmt sich die Möglichkeit, aus seinem eigenen kleinen Kosmos auszusteigen und von einem Austausch zu profitieren.
„Doch immer öfter ist auch eine andere Richtung erkennbar. In diese Richtung sind oft Menschen unterwegs, die intensiv mit sich selbst gearbeitet haben, um eben Resultate von wirklicher Verbundenheit zu erzielen. Sie schauen über den Tellerrand und reflektieren sich ständig selbst. Sie beobachten, sie spielen, sie verändern und sie probieren aus. Sie lernen es, sich wirklich auf ihr Gegenüber einzustellen, und sie lernen diese leise und absolut feine Art der Kommunikation. […]
Die Entscheidung, genauer hinzusehen und unsere Wahrnehmung zu schulen, brauchen wir auch! Denn unterschiedliche Sprachen erfordern nun mal andere Mittel der Kommunikation. Wie wir alle wissen, kommunizieren Pferde sehr selten bis eigentlich fast gar nicht über Laute. […] Und trotzdem funktioniert die Sache mit den unterschiedlichen Sprachen durch feine Wahrnehmung und eine genauso feine Beobachtungsgabe. Denn selbst wenn wir die gleiche Muttersprache sprechen, kommunizieren wir doch immer aus unserer eigenen Welt heraus – mit unseren individuellen Erfahrungen, Gedanken und Wünschen. Wir müssen uns erst verstehen lernen. Genauso ist das bei Pferd und Mensch.
Zu Beobachtungsgabe, Wahrnehmung und dem Verstehen gibt es eine kleine wunderschöne Geschichte. Die Geschichte von einem Pferd, das rechnen konnte. Sie spielt zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Wilhelm von Osten erwarb im Jahre 1900 seinen schwarzen Orlow-Traber mit dem Namen Hans. Kurz darauf begann von Osten mit Trainingseinheiten. Hans sollte lernen, Rechenaufgaben und anspruchsvolle Kunststücke aus eigener Gehirnleistung zu absolvieren. Hans beantwortete die Fragen seines Trainers durch Stampfen mit dem Huf oder Schütteln beziehungsweise Nicken des Kopfes. Hans konnte sogar ganze Wörter zusammensetzen. Im Jahre 1904 begutachtete eine Gruppe von 13 Wissenschaftlern die Leistung von Hans und kam zu dem Schluss, dass Hans keinerlei Hilfestellung erhielt. Er wurde als Wunderpferd anerkannt. Doch die Erklärung für die außergewöhnliche Leistung des Wunderpferds lieferte schlussendlich ein Psychologiestudent:
‚Schließlich war es Oskar Pfungst, damals Psychologiestudent und kritischer Beobachter der Vorführungen von Ostens, der die Entzauberung des Klugen Hans in die Wege leitete. Er hielt es für möglich, dass von Osten dem Pferd zwar nicht bewusst Befehle gab, aber unbewusst durch seine Körpersprache auf Hans reagierte. So nahm er an, dass winzige Signale der Erleichterung, nachdem Hans die richtige Zahl mit dem Huf gescharrt hatte, eine kleine Änderung der Körperspannung, eine kaum merkbare Änderung der Mimik des Lehrers, das Tier veranlasste, mit dem Scharren aufzuhören.
In einer zweiten kommissionellen Prüfung des Tieres wurde diese Annahme bestätigt. Hans konnte tatsächlich die richtige Lösung auf Fragen immer dann nicht geben, wenn er den Fragesteller nicht sah, oder wenn dieser die Antwort auf Fragen selber nicht wusste. Damit war Hans enttarnt – er war doch kein außergewöhnliches Rechengenie innerhalb der Pferdefamilie, aber ein ausgesprochen genauer Beobachter.ʻ
(https://www.derstandard.at/story/2000056054980/der-kluge-hans-das-pferd-das-rechnen-konnte)
Natürlich konnte dieses Pferd nicht wirklich rechnen. Hans hat die Ausstrahlung seines Besitzers wahrgenommen, in ganz feinen Nuancen der Körpersprache, der Bewegung, der inneren Energie und der Ausdrucksweise, die dieser Mensch ausgestrahlt hat. Dementsprechend hat er reagiert – leise und unauffällig.“
Bewusstseinsschmiede – fünf persönliche Fragen
„Gerade deshalb bedeutet ‚Pferdeflüsternʻ, sich tatsächlich aufeinander zu beziehen. Sich kennenzulernen, die Sprache des anderen verstehen zu lernen. In einer gewissen Art und Weise aufeinander zuzugehen, sich selbst zu reflektieren und einen gemeinsamen Weg zu finden. Das ist der wahre Kern des ‚Pferdeflüsternsʻ. Letztendlich ein etwas paradoxes Wort mit Konfliktpotenzial. Es geht hier nicht um leise Worte, sondern um eine Form der Wahrnehmung und der ständigen Selbstreflexion. Darum, sich selbst anzusehen und die eigene Persönlichkeit und Wahrnehmung bewusst weiterzuentwickeln. Pferde sind Bewusstseinsschmiede in Perfektion.“
Fünf Fragen für die Persönlichkeitsentwicklung
- Was bedeutet Pferdeflüstern für Ihre eigene Persönlichkeit?
- In welchen Lebensbereichen oder Situationen fühlen Sie sich frei und wo fühlen Sie sich unfrei?
- Was war Ihre bisher größte Herausforderung und was Ihr bisher größtes Glück mit den Pferden?
- Was sagt Ihnen Ihr Pferd über Ihre Wirkung?
- Wie können Sie diese Erkenntnisse auch im Alltag nutzen
Acht Potenziale für unsere Persönlichkeit
Oft ist weniger mehr und die Stille lässt uns ruhig werden. Foto Martina Kiss
Wenn wir uns mit dem Flüstern der Pferde beschäftigen, werden wir uns unweigerlich auf eine Reise zu uns selbst begeben. Wir werden zahlreichen Themen unserer Persönlichkeit begegnen und haben die Möglichkeit, an jedem neuen Tag Puzzleteile zu finden, die einen entscheidenden Beitrag zu einem erfüllten Leben und erfüllten Beziehungen liefern. Manchmal erscheint die Welt negativer, als sie es in Wirklichkeit ist. Aus den herausforderndsten und konfrontierendsten Begegnungen können wir eigene Stärken wachsen lassen. Wenn Sie selbst ein Pferd an Ihrer Seite haben, fühlen Sie, dass Sie in jedem Fall schwierige Zeiten erleben werden. Haben Sie den Mut und die Zuversicht, sich davon nicht unterkriegen zu lassen. Im Gegenteil – schöpfen Sie sogar Vertrauen daraus, dass Herausforderungen etwas Positives für Sie bereithalten. Hierfür stehen die acht Potenziale. Zu jedem Punkt finden Sie eine kleine Übung – wenn Sie offen dafür sind, probieren Sie es gerne aus:
Innere Ruhe
Durch Pferde lernen Sie, das Hier und Jetzt tatsächlich zu erleben, sich weniger von der schnellen Welt im Außen beeinflussen zu lassen und diese stattdessen zu beobachten. Sie erleben einen Zustand des Vertrauens, des intuitiven Handelns und gleichzeitig der absoluten Klarheit und liebevollen Ausstrahlung.
Übung:
Setzen Sie sich in einem relativ großen Abstand zu Ihrem Pferd – irgendwo dort, wo es sich frei bewegen kann. Beobachten Sie ausschließlich und versuchen Sie aufkommende Gedanken ziehen zu lassen. Nehmen Sie mit allen Sinnen wahr und sitzen Sie dort, bis Sie das Gefühl haben, sich entspannen zu können und das „Nichtstun“ zu genießen. Ihr Pferd wird Ihnen diese Ruhe danken. Was sagt Ihnen Ihre Beobachtung?
Verantwortung & Abgrenzung
Pferde können Sie lehren, die Verantwortung für Ihr eigenes Handeln und Ihre Wirkung zu übernehmen. Es geht hier nicht ausschließlich um die physische Verantwortung, die wir für ein Tier übernehmen, sondern noch viel eher um ein Bewusstsein darüber, dass wir immer einen Anteil an einem Resultat haben. Es liegt an Ihnen, sich von den Dingen abzugrenzen, die nicht zu Ihnen passen oder die Ihren persönlichen Raum verletzen.
Übung:
Denken Sie an eine Situation, für die Sie mehr Verantwortung übernehmen möchten (Emotionskontrolle im Umgang mit dem Pferd, Selbstfürsorge/Selbstliebe und eigene Grenzen und andere). Stellen Sie sich die Frage: Wovon möchte ich mich abgrenzen, um dieser Verantwortung gerecht zu werden (Schuldzuweisungen, überkochende Emotionen, Meinungen anderer)? Nun betreten Sie mit Ihrem Pferd einen Ort, an dem Sie mit ihm arbeiten können (am besten einen Round Pen oder Zirkelgröße). Denken Sie sich eine imaginäre Linie um sich herum oder bilden Sie diese Linie durch ein Seil auf dem Boden ab – das ist Ihre Entscheidung zur Abgrenzung von dem, was Sie nicht brauchen, hin zur Verantwortung für Ihr Thema. Visualisieren Sie weiterhin Ihr Thema und gewähren Sie Ihrem Pferd keinen Zutritt zu Ihrem Bereich. Beobachten Sie, was passiert. Was könnte die Reaktion Ihres Pferdes für Ihr Thema bedeuten?
Reflexionsvermögen
Wenn wir das Flüstern der Pferde deuten lernen, eröffnen sich uns neue Welten der Selbstreflexion. Wir sehen unsere Wirkung durch ein Spiegelbild im Außen. Gleichzeitig intensivieren wir durch den achtsamen Umgang mit uns selbst und unserem Gegenüber die Beziehungen in unserem Leben.
Übung:
Führen Sie ein kurzes Tagebuch, wenn Sie Ihre Wirkung im Spiegel des Pferdes detaillierter kennenlernen möchten. Notieren Sie, wie Sie sich fühlen, vorab und im Prozess des Zusammenseins mit Ihrem Pferd. Beobachten Sie genau, was sich an Ihnen verändert, wenn sich die Reaktionen Ihres Pferdes ändern. Versuchen Sie die Aufmerksamkeit immer wieder zu sich und zu Ihrem Pferd zu lenken. Wenn Sie in Ihren Notizen ein Muster erkennen, überlegen Sie sich, wie Sie dieses durchbrechen können (veränderte Körperhaltung, andere Gedanken, Entspannungstechniken, …).
Annahme & Geduld
Pferde sind Entschleunigungskünstler. Sie lehren uns, auf dem Weg zu einem Ziel vermeintliche Fehler und Umwege zu akzeptieren. Und sehr oft, wenn wir mal wieder vorauspreschen, bremsen sie uns und zeigen uns auf, welche Werte im Leben tatsächlich von Bedeutung sind und wie wir durch geduldiges Ansehen und Annehmen klarer wahrnehmen können.
Übung:
Notieren Sie die wichtigsten Umwege Ihres Lebens – mit und ohne Pferd. Welche Erfahrungen haben Ihnen diese Umwege geschenkt? Welche Werte haben sich hierdurch für Sie als bedeutend herauskristallisiert? Und jetzt fragen Sie sich in Ihrer nächsten ungeduldigen Situation, ob ein vermeintlicher Umweg vielleicht nicht sogar vorteilhaft sein könnte.
Klarheit – authentisch leben
Für Klarheit benötigen wir ein Bewusstsein um individuelle Wegvorstellungen, eigene Werte und persönliche Ziele. Wenn wir wissen, wo die Reise hingehen soll, müssen wir dazu in der Lage sein, unsere Ziele in kleine Schritte zu untergliedern. All das funktioniert nur dann, wenn wir authentisch, das heißt ehrlich mit uns selbst sind und unsere Werte kennen. Anderenfalls werden wir zwar ein Ziel verfolgen, uns jedoch gleichzeitig wundern, warum es weder leicht ist noch Freude bringt – auch das zeigen uns die Pferde in Perfektion.
Übung:
Reflektieren Sie eine Übung, die Ihrem Pferd noch relativ schwerfällt. Wie könnten Sie diese Übung noch kleinschrittiger gestalten und dafür möglichst fein mit Ihrem Pferd kommunizieren? Beobachten Sie sich selbst und notieren Sie, mit welchen persönlichen Werten Ihr Verhalten einhergeht.
Zuhause schließen Sie die Augen und visualisieren sich mit 80 Jahren. Was sind Sie für ein Mensch? Wie fühlt sich Ihr erfülltes Leben an? Wie hat sich Ihre Persönlichkeit verändert? Wer ist bei Ihnen? Jetzt fragen Sie sich, wie Sie den Weg dorthin kleinschrittig gestalten können – die Arbeit mit Ihrem Pferd wird Ihnen helfen, sich an Ihre Struktur zu erinnern.
Kommunikation
Missverständnisse bestimmen unseren Alltag. Genauso ist das in der Arbeit mit unseren Pferden. Sich gegenseitig verstehen zu wollen, lässt Anerkennung und Wertschätzung wachsen. Allein das ist neben ständiger Selbstreflexion ein riesiger Schritt zur feinen Kommunikation.
Übung:
Klar, Kritik ist hin und wieder nötig, allerdings schaffen Anerkennung und Lob erst tatsächliche Verbindungen und bewirken, dass sich unser Gegenüber öffnet. Deshalb fragen Sie sich auch in der größten Herausforderung: Was kann ich hier anerkennen? Sie werden immer etwas finden (wenn Sie möchten). Loben Sie unmittelbar und äußern Sie Kritik klar, aber sanft. Ihr Pferd wird schneller und motivierter lernen. Genauso nehmen Menschen Ihre Kritik besser an und Sie werden klarer verstanden. Probieren Sie es aus und schieben Sie beim Menschen gerne noch etwas Positives vor Ihre Kritik.
Loslassen & Freiheit
Pferde lehren uns, uns von den Dingen zu verabschieden, die wir nicht brauchen. Es entsteht eine persönliche Freiheit, die Beziehungen noch intensiver und tiefer werden lässt.
Übung:
Üben Sie, körperlich loszulassen. Ihr Geist wird irgendwann folgen. Trauen Sie sich, in einem geschützten Rahmen die Zügel loszulassen, das Seil gänzlich wegzulassen oder sich frei auf einer Wiese zu bewegen. Wenn sich Ihr Pferd entfernt, beobachten Sie (möglichst neutral), was das mit Ihnen macht, versuchen Sie, es nicht persönlich zu nehmen. Laden Sie es immer wieder ein. Versuchen Sie, mit Ihrer Wirkung zu spielen und sich auszuprobieren. Sie werden eine tiefe Dankbarkeit spüren, sobald sich Ihr Pferd auch frei für Sie entscheidet – und das wird passieren, wenn Sie am Ball bleiben. Ich bin mir sicher, dass Sie diese Erfahrungen auch für andere Lebensbereiche nutzen können.
Intensive Beziehungen
Pferde schaffen tiefe Verbindungen, denn sie berühren uns wie die Fundamente zweier Eisberge unter der Wasseroberfläche. Hierzu habe ich nur einen Tipp und keine Übung: Schauen Sie sich genau an, was Ihnen Ihr Pferd über Sie zeigt. Seien Sie aufmerksam und zeigen Sie damit Anerkennung. Für intensive Beziehungen können wir alle der sieben vorherigen Potenziale in einen gemeinsamen Topf werfen. Grundsätzlich sollten Sie jedoch Ihr Bewusstsein für Anerkennungen jeglicher Art schärfen. Im Film Avatar heißt es nicht umsonst: „Ich sehe Dich“.
Tina Schumacher unterrichtet rund um den partnerschaftlichen Pferdesport, veranstaltet Life- und Businesscoachings mit Pferden und konzipiert inklusive Reitturniere für Menschen mit und ohne Handicap. Letztere bestimmten die Abschlussarbeit ihres Masters der Rehabilitationswissenschaften (Heil- und Sonderpädagogik). Sie ist Dressurreiterin bis zur Klasse S** und fühlt sich heute besonders in der Freiarbeit und beim Reiten mit Halsring zuhause. Sie betreibt den Podcast „GlücksPferde“.
Dieser Artikel ist in der Ausgabe Natural Horse 3-2021 erschienen.