Ina Ruschinski, Dein Pferd – Spiegel der Seele

Ina Ruschinski, Dein Pferd – Spiegel der Seele

»Wir können jedes Pferd als das lieben, achten und wertschätzen, was es für uns ist: das höchste Glück, die Erfüllung unserer lebenslangen, tiefen Sehnsucht, der Schlüssel zu Lebensfreude und zum Erspüren unseres ganzen menschlichen Seins – unserer Seele.«

Blog Ina RuschinskiAlles beginnt mit dieser ersten Erinnerung. Manche würden es auch Begegnung nennen. Doch für mich ist dieser erste Augenblick in unserem Leben, als wir Pferde sahen, wirklich sahen, eine Erinnerung. Sie sind wie ein (Huf-)Abdruck in unseren Genen, unserem Herzen, unserer Seele – Pferde eben.

Ganz gleich, ob diese erste erinnernde Begegnung in der frühen Kindheit geschah oder auch später im Erwachsenenalter. „Ich wollte schon immer, aber … Und dann begegnen mir plötzlich die Pferde, und nun bin ich schon so alt.“ Wann auch immer sie in unser Leben traten oder auf welche Weise, das, was sie in uns auslösen, ist ähnlich: Sehnsucht, Liebe, unglaubliche Anziehung, Faszination, ein Wiedererkennen.

Vielleicht erinnern sie uns an ein früheres Leben, einen bereits gemeinsam gegangenen Weg? An eine Sehnsucht in uns – nach einem Lebensentwurf mit ihnen, ein Gefühl, das uns erahnen lässt, dass wir es nur mit ihnen zusammen erleben können. Und schließlich an eine uns innewohnende Kraft, die ohne den Gefährten Pferd nur halb ist und nach Ganzwerdung durch und mit dem Pferd strebt. Ja, das alles vielleicht. Und sicher fällt Ihnen noch einiges mehr ein. Denn die Erinnerung, die ich meine, ist das Bewusstwerden unserer wahren Essenz – unserer Seele.

Da ist das Pferd, da sind Sie – Stille, Natur, und plötzlich ist alles gut – in diesem Moment. Mehr braucht es nicht.

Dass es vermeintlich leider doch mehr braucht als diesen einen Moment der Verbindung, erleben wir dann später. Schleichend entfernen wir uns von diesem ersten Zauber und damit von uns selbst – von dem Pferd. Wir werden geschult, und wenn wir nicht sehr achtgeben, auch verbogen. Uns werden „Weisheiten“ über Pferde erzählt, die wir zunächst einmal nur so glauben können. Pferde und Menschen werden in äußere Gegebenheiten gequetscht, die unter Umständen nur wenig Raum für Stille, Nähe und Verbindung bieten.

Die erste Begegnung

Wie unterschiedlich im Laufe der Jahre und Jahrzehnte auch immer die Wege der Pferdemenschen weitergehen mögen – uns alle eint dieser erste Augenblick, in dem wir die Pferde sahen und wussten, sie sollen ein Teil unseres Lebens, unseres wahren Selbst sein.

Was in den Zeiten darauf folgt, ist Fügung oder Schicksal. Wir begegnen anderen Pferdemenschen, lassen uns von ihnen inspirieren, leiten, schulen, beeinflussen oder verführen. Und welch hohe Hürden wir im Laufe der Zeit auch immer nehmen, stürzen, lieben, leiden, der Angst begegnen und den Abgründen unseres Egos erliegen oder uns auch bis zur Selbstaufgabe zu Heilern für Pferd und Mensch entwickeln, spätestens mit zunehmendem Alter und weit gegangenen (Irr-)Wegen erinnern sich die meisten wieder an diese Sehnsucht des einen ersten Augenblicks mit Pferden und wollen dahin zurück – einfach miteinander sein.

Am Ende siegen schließlich doch die Pferde und führen uns mit ihrer liebevollen Weisheit zu uns selbst zurück: „Schau mal, ich habe es dir doch immer wieder gezeigt, und so lange brauchtest du, um zu erkennen – das hier, das bist doch du.“ Wichtig allein sind Sie und Ihr Pferd. Ihre Verbindung miteinander. Sie haben ein Pferd an Ihre Seite gelassen, Sie haben eine Verbindung mit ihm. Die Frage ist, welche? Und welche Verbindung haben Sie zu sich selbst? Zu Ihrer Seele? Lauschen Sie in sich hinein und werden Sie sich dessen bewusst. Was ist das Wesen Ihrer Beziehung? Ihr Pferd weiß es. Es ist für Sie da, jeden Tag aufs Neue, echt, unverfälscht. Manchmal auf schmerzhafte Weise ehrlich.

Vertrauen Sie! Vertrauen Sie Ihrer eigenen Intuition, Ihrem Pferdeverstand und Ihrem Herzen. Und, vor allem, vertrauen Sie Ihrem Pferd und seinen Botschaften für Sie. Lassen Sie sich von erfahrenen Pferdemenschen inspirieren, lernen Sie gemeinsam mit Ihrem Pferdegefährten immer dazu, aber bleiben Sie beide Sie selbst, ein echtes Team. Lassen Sie sich nicht beeinflussen oder von etwas überzeugen, bei dem Ihr Gespür sagt, dass es nicht gut für Sie beide ist. Was zählt, ist die Zufriedenheit, das Glück und die Wahrhaftigkeit, die Ihre Verbindung miteinander begründet.

Ich versuche seit vierzig Jahren, diese mich magisch anziehenden Tiere zu begreifen. Ich würde gern alles über sie lernen, wissen und verinnerlichen. Doch je mehr ich über sie erfahre und je mehr Zeit vergeht, die ich mit ihnen zusammen durchs Leben gehe, umso größer wächst das Mysterium Pferd für mich. Und mittlerweile habe ich endlich verstanden – um ihnen wahrhaftig nah zu sein und ihr Wesen zu verstehen, erfordert es eben nicht allein nur Wissen, sondern Hingabe, einfach Sein, pur und authentisch. Dann geschehen manchmal Wunder. Pferde berühren ganz einfach unsere Seele. Wenn wir uns mit ihrem Wesen verbinden, bringen sie uns zurück zu unserem alten, ewig existenten Selbst. Es ist die Ursprünglichkeit der Pferde, ihre Stille, ihre achtsame, immer gut geerdete Gegenwärtigkeit, die uns unmittelbar zeigt, wie wir mal waren, als wir ebenfalls – genau wie sie – „alles, was ist“, mit einem einzigen Atemzug in uns aufnahmen und erspürten.

Pferde fordern unsere ganze Präsenz, unsere Authentizität, unsere Liebe und unsere Schattenseiten – die gesamte Klaviatur unseres Seins. Sie zeigen uns, woran wir noch zu arbeiten haben, damit wir weiterwachsen und uns zu dem Menschen entwickeln, der wir wirklich sind. Pferde sind die allerbesten Lebenslehrer. Sie öffnen unser Herz und lassen uns dadurch Zugang zu unserer größten Kraft finden. Sie spiegeln uns, erfassen in Sekundenschnelle unsere gesamte Präsenz, unsere Authentizität und spüren nach, was unsere Energie in ihnen selbst auslöst. Entsprechend reagieren sie darauf. Somit können sie uns mit ihren Möglichkeiten darauf hinweisen, woran wir noch zu arbeiten haben.

Pferde spiegeln, aber sie verstärken auch Themen in uns. Sie holen Ängste hervor, von denen wir zuvor gar nicht wussten, dass wir sie haben. Sie bringen uns unsere Schattenseiten nah, wie Wut, Aggressivität, übermäßigen Ehrgeiz oder Abhängigkeiten. Doch ebenso die lichtvollen Anteile wie Liebe, Dankbarkeit, Sensibilität, Authentizität …

Wenn wir mutig genug sind, uns in der Nähe der Pferde zu öffnen und zu spüren, was uns gerade emotional bewegt, und dieses Gefühl dann auch annehmen, uns annehmen, so, wie wir sind, schenkt uns das Pferd seine Nähe. Wir dürfen Teil der Herde sein.

Pferde sehen und heilen das verletzte Ich

Denn Pferde haben keine Angst vor unserem Schmerz, vor unseren verletzten Anteilen. Nur wenn wir versuchen, ihnen etwas anderes vorzumachen als das, was uns im Innersten bewegt, verlieren wir unsere Authentizität. Wir sind dann nicht mehr echt. Und das löst ein Unbehagen in ihnen aus.

Pferde lesen unsere Energie, sie spüren sehr genau, was in uns vorgeht. Denn vertrauen können sie nur dem, den sie jederzeit auch einschätzen können – der echt und wahrhaftig ist.

Und genau wie bei uns Menschen gibt es Pferde, die sich mehr von den menschlichen Energien abgrenzen, und wiederum andere, die hochsensibel auf Stimmungen reagieren. Häufig, weil sie es lernen mussten – traumatisierte Pferde, die Überlebende nicht einzuschätzender aggressiver Menschen und/oder deren Ausbildungsprogramm waren.

Sehen wir die Pferde, wie sie wirklich sind? Können wir das überhaupt? Oder nehmen wir sie nicht eher, genauso wie alles andere auch um uns herum, durch den Filter unserer Projektionen wahr? Dort ist ein großer Brauner, mit klugen Augen und sanftem Ausdruck, er flößt mir Vertrauen ein. Ein anderer findet ihn zu klein, zu unspektakulär, langweilig. Wieder einem anderen macht er Angst und er wirkt unnahbar auf ihn. Mein Perlino-Wallach hat verstörend schöne blaue Augen, ich sehe durch sie bis in sein Innerstes und erkenne etwas Vertrautes darin. Die meisten anderen finden ihn bis auf diese schrecklichen Augen ganz süß, und manche glauben sogar, dass er blind ist.

Pferde als Heiler und Therapeut

Und wie sehen uns die Pferde? Was bedeuten wir ihnen? Warum ließen sie sich einst domestizieren und haben sich uns angeschlossen, auf diese wunderbare, fast schon magische Weise? Ich glaube, es gibt keine kooperativeren Wesen auf dieser Erde als Pferde. Sie gehen weite Wege. Mit uns zusammen – schon Jahrtausende lang. Auch das ist ein Teil der unfassbaren Verbindung zwischen ihnen und uns. Als würden wir die Liebe und das besondere Band zu ihnen mit uns von Leben zu Leben tragen.

Weniger schwärmerisch formuliert: Wir haben ihnen abgenötigt, als unsere Begleiter zu einem engen Teil unserer Geschichte zu werden. Pferde galten mit ihren mondförmigen Hufabdrücken als heilig. Sie wurden geliebt und genutzt, vergöttert und missbraucht. Sie sind unsere Partner, Gefährten, Lehrer, Heiler, Therapeuten. Und sie nehmen das alles mit einer gelassenen Selbstverständlichkeit, die mich immer wieder aufs Neue zutiefst beeindruckt. Duldsam ertragen sie, dass ihr kooperatives Wesen nicht selten missbräuchlich genutzt wird. Kriegsgerät, Arbeitsgerät, Sportgerät, Sklave menschlichen Ehrgeizes: Dein Pferd – Spiegel der Seele, Erfüllungsgehilfe deines Egos.

Sie tragen uns und ertragen uns wie kein anderer – sind auf diese Weise verlässliche Beziehungspartner, geduldig, liebevoll und nicht nachtragend. Sie geben uns jeden Tag aufs Neue die Chance, es richtig zu machen. Welcher andere Partner würde das so altruistisch für uns tun?

Als Meister im Lesen der Körpersprache schenken sie uns dazu noch ein tägliches Coaching, indem sie beharrlich darauf hinweisen, dass es gut für uns ist, mit den Beinen fest auf dem Boden zu stehen, Grenzen zu wahren und zu setzen. Sie nehmen uns bedingungslos so an, wie wir wirklich sind. Auf ihrem Rücken werden wir getragen, wie wir vielleicht im wahrsten Sinne noch nie zuvor im Leben getragen wurden, und sie lassen uns unseren emotional erlebten Mangel an ihnen stillen.

Vergegenwärtigt man sich all das, was Pferde für uns verkörpern, erfährt man sicher viel über ihr einzigartiges Wesen – doch noch viel mehr erfahren wir über uns – das Wesen Mensch.

Ich möchte Ihnen zum Schluss noch etwas sagen: Sie waren klug und haben weise gehandelt – Sie haben die Pferde in Ihr Leben gelassen und sich damit ein großes Glück geschenkt.

Vielleicht gehen Sie mit diesem Bild – Ihr Pferd ist Ihr Paradies.

Es ist Ihr Ort für Freude, Reichtum, Inspiration, Ausdruck der Seele und Liebe. Es ist der Ort, an dem Sie heil werden und heil sein können.

Pferde leben mit Leichtigkeit das, was spirituelle Menschen in Jahren mühevoller Praxis zu verinnerlichen versuchen – bedingungslose Liebe, Achtsamkeit, Gegenwärtigkeit, Verbindung mit der Schöpfung, Freisein vom Ego, selbstloses Dienen und wahre Nähe.

Wir können von ihnen lernen, können ihnen unser Herz schenken, unser ganzes Sein, sogar den größten Teil unseres Lebens – und all das ist bestens aufgehoben – bei diesen wundersamen Tieren – den Pferden. Danke dafür.

Die Basis der inneren Haltung

Ich möchte Ihnen hier noch eine kleine, aber schöne Methode nahebringen, um die Beziehung zu Ihrem Pferd zu vertiefen. Sie können diese Übung auch jederzeit anderswo in Ihren Alltag einfließen lassen. Für mich ist es wie ein Reset, wenn ich zu meinen Pferden gehe und etwas mit ihnen unternehmen möchte. Eine Wertschätzung, die ich ihnen, unserer gemeinsamen Zeit und damit auch mir selbst entgegenbringe. Es ist ein kleiner heiliger Raum, den ich eröffne, um den Alltag, Stress und Gedanken draußen zu lassen. Denn die Zeit und das Miteinander mit meinen Pferden ist mir heilig und soll nicht vom Alltagsschmutz begleitet sein. Sozusagen die Basis für alles Weitere: mein Herz, meine Konzentration, mein inneres Bild, Stille, Fokus.

Blog Ina RuschinskiZunächst öffnen Sie Ihr Herz. Gehen Sie zu Ihrem Pferd und schauen Sie es an. Dann sollte es schon von selbst geschehen. Lächeln Sie Ihrem Pferd zu und spüren Sie die Liebe zu ihrem wunderbaren Gefährten. Blenden Sie alles andere aus. Spüren Sie, wie die Energien der Liebe und der Stille von Ihrem Herzzentrum und Ihrer Stirn, Ihren Augen (Drittes Auge/Geist) sich mit denselbigen Punkten an Ihrem Pferd verbinden. Und seien Sie energisch darin, mit störenden Gedanken oder anderen negativen Einflüssen auf keinen Fall in Resonanz zu gehen. (Das ist der schwerste Teil dieser Übung beziehungsweise der inneren Haltung.)

Lauschen Sie achtsam wie ein Pferd, als wollten Sie nur wahrnehmen, denn dann endet sofort der Gedankenfluss. Einatmen – Lächeln, Ausatmen – Lächeln. Nehmen Sie nur wahr und bleiben Sie damit in ihrer eigenen stillen, heiligen und entspannten Konzentration mit Ihrem Pferd. Für mich fühlt es sich immer so an, als würde ich meinen Kopf (Geist) und mein Herz sehr weit öffnen, Licht und Liebe einatmen und, genau wie ein Pferd, das überflüssige Denken aussetzen. Stattdessen agiere ich mit der Energie aus meinem Herzen, meinem Geist – und dadurch mit meinen inneren Bildern sowie mit meiner bewusst gewählten Sprache. Worte, die Informationen für mein Pferd beinhalten, mit denen es etwas anfangen kann. Worte mit den dazugehörigen Bildern in meinem Kopf. Nichts anderes (wenn möglich). Das funktioniert dann im nächsten Schritt auch sehr gut beim Training. Das Pferd liest (hört? sieht?) und versteht Ihre konzentrierte Aufmerksamkeit, die allein auf ihn gerichtet ist. Wenn Sie gut im entspannten Nichtdenken und einfach nur achtsamen Sein sind, können Sie auch anfangen, mit Ihrer Energie zu spielen, und damit wiederum Einfluss auf die Energie Ihres Pferdes nehmen. Ein Beispiel: Ihr Pferd wird nervös, weil es sich vor irgendetwas Furchterregendem sorgt. Sie stehen neben ihm, gut geerdet, aber entspannt. Sie atmen ruhig. Sie denken nichts! Ihr Kopf ist leer, als würden Sie gleich entspannt ein Schläfchen im Stehen neben Ihrem besorgten Pferd machen wollen. Es wird Sie lesen und geradezu in Ihrem Körper und in Ihrem Kopf nach der gleichen Besorgnis suchen. Vergebens. Sie, Mensch, sind in der entspannten, fast schon phlegmatischen Stille wie Pferde, die dösend eng und gedankenleer mit abgeklappten Ohren beieinanderstehen. Ihre Energie wird sich auf Ihr Pferd übertragen. Es wird Sie spiegeln. Und nicht, umgekehrt wie sonst, dass sich die Angst Ihres Pferdes auf Sie überträgt.


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Ein weiteres Beispiel. Sie longieren Ihr Pferd und es springt immer wieder auf einer Hand in den falschen Galopp. Sie gehen (sind bestenfalls bereits) vollständig in Ihre konzentrierte Stille. Alles andere ist unbedeutend, ausgeblendet. Sie fokussieren die Hinterhand Ihres Pferdes, als würde Energie aus Ihren Augen genau dorthin fließen. Ruhe, Energie herunterfahren, ein Nachgeben der Longe, damit das Pferd sich ausbalancieren kann, dann den Fokus auf die Hinterhand richten mit dem Bild des richtigen Anspringens in den Galopp – begleitend ein Schnalzen und eventuell ein allerzartestes Berühren mit den Fädelchen der Longierpeitsche – es wird klappen. Probieren Sie auf unterschiedlichste Weise damit herum: Gehen Sie in Ihre persönliche Basis Haltung – Liebe, Stille, Konzentration, inneres Bild, Fokus. Den üblichen überflüssigen Restmüll räumen Sie heraus und lassen ihn auch konsequent draußen.

Viel Freude wünscht Ihnen und Ihrem Pferd
Ina Ruschinski

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